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Globale Lieferketten unter Beschuss: Sanktionen, Krisen und hybride Bedrohungen

Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals in der LOGISTIK & RECHT, Nr. 01/2025, und wurde für die AKE | SKABE Insights adaptiert und aktualisiert.

Wie Ihr Unternehmen jetzt reagieren muss

Geopolitische Entwicklungen beeinflussen globale Lieferketten immer häufiger und oft abrupt – sei es durch Sanktionen wie zuletzt unter der US-Administration Trumps, gezielte (hybride) Angriffe auf kritische Infrastrukturen oder Spannungen in Schlüsselregionen wie dem Nahen Osten. Mehr denn je sind international agierende Unternehmen angesichts dieser Unsicherheiten gefordert, resiliente Logistikstrukturen zu schaffen. Dazu bedarf es angepasster Sicherheitsstrategien, vorausschauende Planung und eine enge Verzahnung von Wirtschaft und Politik.

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Manuel Grubenbecher
Geschäftsführender Gesellschafter

Manuel Grubenbecher ist langjähriger geopolitischer Sicherheitsberater für Unternehmen, staatliche Institutionen sowie NGOs. Sein Schwerpunkt ist das globale Risikomanagement.

Globale Lieferketten unter Beschuss: Sanktionen, Krisen und hybride Bedrohungen

US-Sanktionspolitik und ihre Auswirkungen auf die Logistik

Die US-Regierung hat im Januar 2025 umfangreiche Sanktionen gegen Russland und den Iran verhängt, die insbesondere die Ölindustrie betreffen. Ziel der Maßnahmen ist es, die Einnahmequellen beider Länder zu beschneiden, sie haben jedoch auch weitreichende Konsequenzen für die globale Logistik:

  • Zahlreiche Tankschiffe und deren Betreiber wurden auf die schwarze Liste gesetzt.
  • Dadurch sind weltweit verfügbare Transportkapazitäten im Ölsektor deutlich gesunken.
  • Die Frachtraten für Öltransporte sind infolgedessen stark gestiegen.

So haben beispielsweise die Kosten für den Transport von Rohöl aus dem Nahen Osten nach China deutlich zugenommen. Diese Kostensteigerungen und Kapazitätsengpässen stellen Logistikunternehmen vor erhebliche Herausforderungen:

  • Angepasste Lieferkettenstrategie: Die reduzierte Verfügbarkeit von Transportkapazitäten und die steigenden Kosten erfordern eine Anpassung der Lieferkettenstrategien.
  • Alternative Lieferketten: Unternehmen müssen alternative Routen und Transportmittel in Betracht ziehen, um die Kontinuität ihrer Lieferketten sicherzustellen.

Risiken durch kurzfristige und unerwartete Sanktionen

Kurzfristig und unerwartet eingeführte Sanktionen bringen globale Lieferketten massiv durcheinander. Unternehmen können plötzlich mit Handelsbeschränkungen konfrontiert werden, die bestehende Verträge und Transportwege betreffen – teils mit gravierenden Folgen für den Welthandel: Donald Trumps kurzfristig eingeführte Importzölle führen weltweit zu Verzögerungen, erhöhten Kosten sowie rechtlichen Unsicherheiten und sind damit ein Beispiel, welchen Einfluss plötzliche politische Entscheidungen auf Lieferketten haben können.

Praxishinweis: Unternehmen sind daher gefordert, proaktive Risikomanagementstrategien zu entwickeln. Dazu gehört die Diversifizierung von Lieferanten und Transportwegen sowie die kontinuierliche Überwachung geopolitischer Entwicklungen, um flexibel auf Veränderungen reagieren zu können.

Bedeutung eines möglichen Friedens in der Ukraine für die Logistik

Ein möglicher Friedensschluss in der Ukraine würde zwar die unmittelbaren kriegsbedingten Störungen der Lieferketten reduzieren, jedoch wird es länger bis zu einer Normalisierung dauern. Der Wiederaufbau und die Wiederaufnahme regulärer Transportwege sind aufgrund der zerstörten Infrastruktur in den betroffenen Regionen erschwert. Zudem könnten bestehende Sanktionen gegen Russland weiterhin in Kraft bleiben oder nur schrittweise gelockert werden, wodurch der Handel mit russischen Partnern weiterhin kompliziert bleibt. Die Unsicherheit über die zukünftige politische und wirtschaftliche Ausrichtung der Region könnte Investitionen hemmen und die Planungssicherheit für Unternehmen beeinträchtigen. Andererseits bestehen jedoch signifikante Chancen: Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind deutsche Unternehmen in nur geringer Zahl in der Ukraine tätig. Grund dafür sind auch die aktuellen Kampfhandlungen und Unsicherheiten über die zukünftige Entwicklung.

Praxishinweis: Deutsche Unternehmen sollten daher langfristige Unternehmesstrategien entwickeln, die sowohl den Wiederaufbau der Infrastruktur als auch potenzielle regulatorische Veränderungen berücksichtigen. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bleiben entscheidend, um auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können. Gleichzeitig ist jedoch ein permanenter Blick aufs Geschehen vor Ort unabdingbar, um frühzeitig die ersten Fühler nach Investitionschancen auszustrecken. Unternehmen aus den USA, China und auch der Türkei sind bereits zum jetzigen Zeitpunkt mit Mitarbeitern vor Ort aktiv. Ihr erklärtes Ziel: ein großes Stück vom Kuchen zum frühestmöglichen Zeitpunkt abzubekommen!

Stabilität des Nahen Ostens als Garant für die Schifffahrt

Die Stabilität des Nahen Ostens ist ein wichtiger Garant für eine effiziente globale Schifffahrt, insbesondere für den Transport von Öl und Gas. Spannungen in der Region, wie etwa Konflikte im Jemen oder politische Auseinandersetzungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, können zu Unterbrechungen wichtiger Seewege wie der Straße von Hormus führen. Solche Störungen haben direkte Auswirkungen auf die globalen Lieferketten:

  • Schiffe können gezwungen sein, längere Routen zu nehmen, um unsichere Gebiete zu umfahren.
  • Als Folge erhöhen sich Transportzeiten und -kosten.
  • Steigende Versicherungsprämien für Schiffe, die durch Risikogebiete fahren, können die Kosten weiter in die Höhe treiben.

Praxishinweis: Unternehmen sollten daher geopolitische Risiken in der Region genau beobachten und gegebenenfalls alternative Routen oder Transportmittel in Betracht ziehen. Zudem ist es ratsam, Notfallpläne für den Fall von Störungen zu entwickeln, um die Auswirkungen auf die Lieferketten zu minimieren.

Auch die Situation in Syrien kann Auswirkungen auf die gesamte Region haben. Wie stabil ist das aktuelle Regime? Welche Auswirkungen hat die Destabilisierung der kurdischen Gebiete in Syrien, in denen eine große Zahl ehemaliger IS-Kämpfer festgehalten wird? Sollte die Unterstützung der westlichen Welt für die Kurden nachlassen, besteht die Gefahr, dass diese unkontrolliert in die Freiheit entlassen werden. Als Konsequenz könnte die Stabilität des Irak leiden, denn eine Vielzahl der Kämpfer ist irakischstämmig. Die Auswirkungen können zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös benannt werden, doch zeigen bereits diese kurzen Überlegungen das in der Region herrschende Risiko auf.

Hybride Bedrohungen für Transportinfrastrukturen

Russland nutzt zunehmend hybride Taktiken, um westliche Infrastrukturen zu destabilisieren und Unsicherheit zu erzeugen. Dazu zählen Cyberangriffe, Desinformationskampagnen und physische Sabotageakte gegen kritische Infrastrukturen wie Unterseekabel, Pipelines, Häfen und Transportmittel. So wurden in der Ostsee wiederholt Unterseekabel beschädigt, was die Kommunikations- und Energieinfrastruktur der Anrainerstaaten beeinträchtigte. Die Beschädigung von Unterseekabeln kann zu Kommunikationsausfällen führen, während Cyberangriffe auf Hafensysteme den Warenumschlag stören können. Zudem können Sabotageakte an Transportmitteln zu erheblichen Verzögerungen und Sicherheitsrisiken führen.

Für Schiffe, Häfen, Lkws und Flugzeuge stellen solche hybriden Bedrohungen erhebliche Risiken dar. Der Brand eines Luftfrachtpaketes am Flughafen Leipzig/Halle im Juli 2024 wirkte sich – unabhängig der Ursache – erheblich auf das Vertrauen in die Sicherheit aus. War Russland der Verursacher, oder war es nur ein Unfall? Allein der Umstand, dass die bewusste Sabotage für möglich gehalten wird, zwingt Luftfrachtunternehmen zur Erhöhung ihrer Sicherheitsmaßnahmen. Auch mit der radikalen Konsequenz, dass bestimmte Routen nicht mehr geflogen werden oder Logistiker sich für einen anderen Transportweg entscheiden müssen, wenn die Gefahr für Menschen und Waren sowie für Reputation und die finanziellen Folgen nicht mehr kalkulierbar sind.

Praxishinweis: Unternehmen müssen daher verstärkt in Sicherheitsmaßnahmen investieren und eng mit staatlichen Stellen zusammenarbeiten, um Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und abzuwehren.

Sicherheitsherausforderungen für die neue Bundesregierung

Die neue Bundesregierung steht vor großen Herausforderungen. Aus Sicht der Logistik muss eine neue Regierung die Sicherheit der nationalen und internationalen Lieferketten gewährleisten. Dies umfasst sowohl den Schutz vor physischen Bedrohungen wie Piraterie oder Terrorismus als auch die Absicherung gegen Cyberangriffe auf logistische Infrastrukturen. Zudem müssen rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es Unternehmen ermöglichen, flexibel auf geopolitische Veränderungen zu reagieren.

Praxishinweis: Für Unternehmen könnte dies beispielsweise die Anpassung von Zoll- und Handelsregulationen oder die Förderung von Diversifizierungsstrategien beinhalten.

Fazit: Investitionen in Sicherheit stabilisieren die Logistik – und sichern die Wettbewerbsfähigkeit

Die aktuellen geopolitischen Spannungen und Sanktionen haben die globalen Lieferketten erheblich beeinträchtigt und zu steigenden Transportkosten sowie logistischen Unsicherheiten geführt. Hybride Bedrohungen wie Cyberangriffe, Sabotageakte und geopolitische Konflikte gefährden kritische Infrastrukturen und zwingen Unternehmen zu verstärkten Sicherheitsmaßnahmen. Besonders der maritime, landgestützte und luftgestützte Transportsektor ist betroffen.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind flexible Lieferkettenstrategien, proaktives Risikomanagement und eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft erforderlich. Nur durch gezielte Anpassungen und Investitionen in Sicherheit kann die Stabilität der globalen Logistik und damit die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen langfristig gewährleistet werden.

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