Time
Analyse

Halb im Frieden oder fast im Krieg? Wir brauchen gesellschaftliche Resilienz. Analyse von Prof. Dr. Carlo Masala

Russlands Vorgehen reicht längst über konventionelle Mittel hinaus: Störaktionen, Propaganda, Desinformation – Elemente hybrider Kriegsführung, die unsere offenen Gesellschaften ins Mark treffen. In seiner exklusiven Monatsanalyse für AKE | SKABE erklärt Prof. Dr. Carlo Masala, warum echte Sicherheit nur gelingt, wenn Regierungen Klartext reden und wir als Gesellschaft Resilienz entwickeln: die Fähigkeit, Angriffe zu erkennen, auszuhalten und gemeinsam zu beantworten. Es geht um Prioritäten, Kosten – und um die Verteidigung unserer demokratischen Lebensweise.

Portrait
Prof. Dr. Carlo Masala
Wissenschaftlicher Berater

Prof. Dr. Carlo Masala ist Experte für Sicherheits- und Verteidigungspolitik und leitet an der Universität der Bundeswehr München u. a. das Center for Intelligence and Security Studies (CISS). AKE | SKABE unterstützt er als wissenschaftlicher Berater und veröffentlicht u. a. exklusive Beiträge zu sicherheitspolitischen und geostrategischen Themen.

Halb im Frieden oder fast im Krieg? Wir brauchen gesellschaftliche Resilienz. Analyse von Prof. Dr. Carlo Masala

Warum hält sich die Politik zurück?

Drohnen in Polen, Kampfflugzeuge in Estland, Störungen an Flughäfen. Russlands Provokationen werden immer häufiger und riskanter. Und die Reaktion der Politik? Zurückhaltend, teils ohnmächtig, rhetorisch zwar stark, aber in der Substanz schwach.

Ein Grund für diese Zögerlichkeit ist Angst. Angst vor einer russischen Eskalation, aber vor allem Angst vor den extremistischen Kräften der Innenpolitik. Denn – so glaubt man – wenn man der Bevölkerung zumuten würde, dass man sich eigentlich schon längst in einer Art „Krieg“ befindet, einem Krieg, den Russland gegen unsere Gesellschaften führt, dann würde die daraus resultierende Panik in der Bevölkerung den extremistischen Kräften Zulauf verschaffen. Denn diese argumentieren ja, dass man Russland nur das geben müsse, was es wolle (die Ukraine), damit Ruhe ist.

Die Zurückhaltung gegenüber der eigenen Bevölkerung untergräbt aber genau das, was für alle Politikbereiche, in denen Regierungen aktuell aufholen wollen, essenziell ist: die Schaffung gesellschaftlicher Resilienz.

Hybride Kriegsführung zielt auf Demokratien

Fakt ist jedoch: Eine Gesellschaft, der nicht bewusst ist, dass ihre Form des Zusammenlebens durch hybride Kriegsführung bedroht ist, die nicht realisiert, dass Russland durch vielfältige Propagandamaßnahmen und Desinformationskampagnen das Vertrauen der Bevölkerung in die Problemlösungsfähigkeit demokratischer Institutionen und Verfahren erschüttern will – mit dem Ziel, die Demokratie als Staatsform zu diskreditieren –; eine solche Gesellschaft wird auch nicht die Bereitschaft entwickeln, resilient oder widerstandsfähig zu werden.

Europäische Resilienz: Voraussetzung für Handlungsfähigkeit gegenüber Russland

Dabei ist Resilienz die zentrale Voraussetzung, um die Aufgaben, die in den nächsten Jahren auf die europäischen Staaten zukommen, zu bewältigen. Russland abzuschrecken und einzudämmen, kann nur gelingen, wenn die europäischen Gesellschaften bereit sind, den dafür anfallenden Preis zu zahlen. Dieser Preis bemisst sich im Extremfall an der Bündnisverteidigung in Menschenleben, er fällt aber bereits jetzt in Form von ökonomischen und politischen Kosten an.

Der Preis der Abschreckung: Kosten, Prioritäten, Bündnisverteidigung

Wer eine Steigerung von Verteidigungsausgaben durchsetzen will, der wird in anderen Bereichen kürzen müssen oder kann dort zumindest weniger investieren. Es wird also auch um eine Priorisierung von Staatsaufgaben gehen. Die fehlende gesellschaftliche Resilienz wirkt sich aber nicht nur in finanzieller Hinsicht negativ aus. Denn ohne gesellschaftlichen Rückhalt werden unsere Streitkräfte nicht lange in der Lage sein, ihren Auftrag zu erfüllen. Damit kommt der Resilienz, der Widerstandsfähigkeit von Gesellschaften, in der Zukunft eine zentrale Rolle zu.

Klartext statt Beruhigung: Was auf dem Spiel steht

Eine resiliente Gesellschaft ermöglicht es der Regierung erst, ihrer Aufgabe nachzukommen, die äußere Sicherheit zu garantieren. Damit Gesellschaften aber die Bereitschaft zur Resilienz entwickeln, ist es notwendig, dass Regierungen im Diskurs mit ihrer Bevölkerung sehr klar kommunizieren, was auf dem Spiel steht. Demokratische Gesellschaften sind durch hybride Kriegsführung bedroht, und letzten Endes geht es um nicht weniger als um die Verteidigung der demokratischen Staatsform. Pathetischer gesprochen, um die Art und Weise, wie wir leben und leben wollen.

Gemeinschaftsaufgabe Resilienz: Jede und jeder zählt

Anders als Verteidigung braucht die Schaffung von Resilienz uns alle. Verteidigungsfähigkeit herzustellen ist eine exekutive Aufgabe, und das Instrument dafür ist die Bundeswehr. Die einzelne Bürgerin/der einzelne Bürger hat somit mit der Herstellung von Verteidigungsfähigkeit relativ wenig zu tun. Resilienz allerdings kann nicht hergestellt werden, wenn das Individuum nicht resilient werden will. Es braucht somit jede und jeden, um eine resiliente Gesellschaft zu schaffen. Diese Aufgabe kann nur gelingen, wenn Politik ehrlich ist, sagt, wie die Situation ist, und dabei an alle appelliert, – im Rahmen der eigenen Möglichkeiten – daran mitzuwirken, eine resiliente Gesellschaft zu schaffen.

Denn Resilienz ist die Voraussetzung für alles andere. So richtig verstanden haben wir das allerdings noch immer nicht.

Kontakt

Auch Unternehmen sollten sich vermehrt auf die hybride Kriegsführung Russlands einstellen.

Sprechen Sie mit unseren Global-Risk-Beratern, wie Sie Ihre Mitarbeitenden, Unternehmenswerte und Ihre Geschäftsstrategie gegen Krisen wappnen können.

Vereinbaren Sie jetzt ein vertrauliches Erstgespräch.

In Notfällen oder bei dringenden Fragen erreichen Sie uns jederzeit telefonisch unter +49 (0) 2173 265 42 35.

Wir verwenden Ihre Daten ausschließlich gemäß unserer Datenschutzerklärung.

* Pflichtfelder

Weiterführende Insights, passende Leistungen & Produkte

The Weaponization of Everything
Insights

The Weaponization of Everything

Globalisierung galt lange als Win-win für alle – bis Staaten begannen, Lieferketten als politische Druckmittel zu nutzen. Prof. Dr. Carlo Masala erklärt exklusiv für AKE | SKABE, wie aus Alltagsgütern strategische Waffen werden – und warum dies eine der zentralen Konfliktachsen unserer Zeit ist.

Weiterlesen
Geopolitik & Risikomanagement
Leistungen

Geopolitik & Risikomanagement

Wie Sie Ihren globalen Aktivitäten ein sicheres Fundament geben.

Weiterlesen
„Die Zeit der Monster“ – US-Zölle und die neue Welt der Allianzen. Analyse von Prof. Dr. Carlo Masala
Insights

„Die Zeit der Monster“ – US-Zölle und die neue Welt der Allianzen. Analyse von Prof. Dr. Carlo Masala

Die Welt ist in Bewegung. Alte Bündnisse zerbrechen, neue Allianzen entstehen – getrieben von einer US-Zollpolitik, die wirtschaftliche Interessen mit sicherheitspolitischem Druck verknüpft. In seiner exklusiven Kolumne für AKE | SKABE analysiert Prof. Dr. Carlo Masala, wie sich unter dem Druck amerikanischer Handelspolitik neue geopolitische Monster formieren – von Neu-Delhi bis Moskau, von Peking über Seoul bis Tokio.

Weiterlesen