Neue Perspektiven für die Logistik: Wie der Interozeanische Korridor in Mexiko zur Panamakanal-Alternative für Lieferketten werden will. Eine Analyse.
Der Panamakanal stößt an Grenzen: Niedrige Wasserstände und Wartezeiten verteuern Transporte. Mexiko positioniert mit dem Corredor Interoceánico del Istmo de Tehuantepec (CIIT), dem Interozeanischen Korridor der Landenge von Tehuantepec, eine Schienen- und Hafenlösung zwischen Pazifik und Atlantik.
Unsere Analyse zeigt Ihnen Fakten zu Kanal, Schienenweg und CIIT (Kapazitäten, Umlaufzeiten, Frequenzen), ordnet Sicherheitsrisiken ein und erklärt, für welche Branchen die Route schon heute attraktiv ist – besonders im Kontext Nearshoring. Zudem erfahren Sie, welche First-Mover-Vorteile sich jetzt realisieren lassen.

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Der Panamakanal zählt zu den bedeutendsten und am stärksten frequentierten Wasserstraßen der Welt. Durch ihn werden Transportzeiten von global gehandelten Gütern und Waren enorm verkürzt. In den vergangenen Jahren führten jedoch zunehmende Trockenperioden und niedrige Wasserstände immer häufiger zu Einschränkungen der Transportkapazitäten. Schon unter normalen Bedingungen gelingt es dem Panamakanal nur noch mit Mühe, der stetig wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Jede zusätzliche Verzögerung stellt daher eine erhebliche Belastung für den internationalen Handel dar und verursacht Mehrkosten.
Unter anderem diese Umstände haben mehrere lateinamerikanische Länder dazu veranlasst, über eigene alternative Verkehrswege zwischen Atlantik und Pazifik nachzudenken. Während Costa Rica und Kolumbien als direkte Nachbarn Panamas bislang lediglich Interesse an einer solchen Verbindung bekundet haben, hat Mexiko mit dem Bahnprojekt Corredor Interoceánico del Istmo de Tehuantepec (CIIT) bereits konkrete Schritte unternommen.
2023 wurde im Süden des Landes die Teilstrecke Línea Z eröffnet. Eine Bahnstrecke, die die am Pazifik gelegene Hafenstadt Salina Cruz mit den an der Atlantikküste gelegenen Städten Coatzacoalcos und Veracruz verbindet. Neben dem Personenverkehr spielt der Gütertransport eine zentrale Rolle in diesem interozeanischen Infrastrukturvorhaben.
Der Panamakanal stellt das bedeutendste Infrastrukturprojekt der Region dar. // 2023 wurden rund 8,3 Millionen Container durch die künstliche Wasserstraße transportiert, die maximalen Kapazitäten liegen bei bis zu 8,5 Millionen. // Doch angesichts der zunehmenden Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse infolge des Klimawandels sowie der stetig wachsenden Größe moderner Containerschiffe stößt der Kanal vermehrt an seine Kapazitätsgrenzen. // Eine Erweiterung oder Vertiefung der Wasserstraße ist technisch nur eingeschränkt möglich. // Für die 81,6 Kilometer lange Passage benötigen Frachtschiffe zwischen acht und zehn Stunden, Wartezeiten nicht mit einbezogen. // Je nach Wasserstand können rund 30 Schiffe pro Tag je Durchfahrt bis zu 15.000 TEU (Twenty-foot Equivalent Unit, standardisierte Einheit zur Zählung von Containern) transportieren. Zuletzt fiel die Anzahl aufgrund externer Umwelteinflüsse häufig geringer aus.
Eine zentrale Ausweichroute: die Panama Canal Railway
Entlang des Kanals verläuft zusätzlich eine Bahnlinie, die den Pazifik und Atlantik auf dem Schienenweg miteinander verbindet: die Panama Canal Railway. Erst Anfang 2025 erlangte die Bahngesellschaft mediale Aufmerksamkeit, als der dänische Logistikkonzern Maersk diese von einem Joint Venture zwischen Canadian Pacific Kansas City und der amerikanischen Lanco Group übernahm – nur einige Monate nachdem der US-amerikanische Präsident Donald Trump Besitzansprüche gegenüber dem Panamakanal äußerte.
Neben der verstärkten Nutzung in Dürreperioden stellt die Verbindung auch unter regulären Bedingungen eine unverzichtbare Alternative für bestimmte Frachtgüter dar, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht durch den Kanal transportiert werden können. Zwar liegt das Gesamttransportvolumen deutlich unter dem der Schifffahrt, doch in puncto Geschwindigkeit bietet die Schienenverbindung klare Vorteile:
- Für einen kompletten Umlauf inklusive Be- und Entladen werden lediglich etwa 3,5 Stunden benötigt.
- Im Schnitt verkehren zehn Züge täglich pro Richtung, bei Bedarf kann die Frequenz auf bis zu 32 Fahrten pro Tag erhöht werden.
- Nach Angaben der Panama Canal Railway Company liegt die aktuelle Transportkapazität bei rund 500.000 TEU jährlich.
- Durch geplante Ausbaumaßnahmen soll diese auf bis zu 2 Millionen TEU gesteigert werden – was etwa einem Viertel der heutigen Schiffsverkehrskapazität im Kanal entspricht.
Vorteile des Güterverkehrs per Schiene
Neben den genannten Aspekten eröffnet der Gebrauch des Schienenverkehrs auch in anderer Hinsicht neue Möglichkeiten.
- Da Schiffe nur Teilstrecken zurücklegen müssen, können Umläufe beschleunigt und freie Kapazitäten schneller für neue Aufträge verfügbar gemacht werden. Dies eröffnet zugleich die Chance, Flotteneinsätze stärker nach Regionen und Frachtarten zu spezialisieren.
- Darüber hinaus lassen sich durch die Nutzung der Schienenverbindung die hohen Mautkosten des Panamakanals vermeiden. Zwar entstehen dafür Bahn- und Umschlagskosten, doch können diese unter Umständen sogar günstiger ausfallen, und zusätzlich können Wartezeiten reduziert werden.
- Schließlich ermöglicht die hohe Intermodalität eine engere Anbindung an regionale Märkte und Industriezentren, was die Flexibilität und Attraktivität dieser Route für die in Nordamerika agierende Logistikbranche deutlich steigert.
Kurzüberblick: Was ist der Corredor Interoceánico del Istmo de Tehuantepec (CIIT)?
Neben der Verbindung zwischen Pazifik und Atlantik, der Línea Z, besteht der CIIT aus weiteren Teilstrecken, die in die umliegenden mexikanischen Bundesstaaten reichen. Dennoch ist gerade die Línea Z für den internationalen Handel wegen ihrer interozeanischen Funktion von besonderer Relevanz und fungiert als Hauptachse des gesamten Korridors, sodass die Bezeichnung „CIIT“ häufig stellvertretend für ebenjenen Abschnitt verwendet wird.
Verglichen mit den beiden panamaischen Varianten stellt der CIIT derzeit noch keine ernsthafte Alternative dar:
- Jährlich sollen bis zu 1,4 Millionen Container abgefertigt werden, momentan liegt das Transportvolumen jedoch bei lediglich rund 300.000 Containern pro Jahr.
- Mit einer Streckenlänge von rund 300 Kilometern sollen auf der Línea Z bis zu 260 Container pro Fahrt transportiert werden können.
- Dabei soll die Fahrtdauer etwa zehn Stunden betragen, Umladezeiten inklusive.
- Die Dauer der Reise entspricht damit grob der Kanalpassage, allerdings mit erheblich geringerem Frachtvolumen.
- Auch in Bezug auf die Betriebsfrequenz gibt es Ausbesserungspotenzial: Derzeit verkehrt lediglich ein Zug pro Richtung an drei Tagen in der Woche.
Sicherheitsrisiken in der Region
Der CIIT erstreckt sich über den südlichen Teil des Landes und liegt somit in einer Region, in der organisierte Kriminalität im Bereich des Drogen- und Migrantenschmuggels prävalent ist. Auch die lokale Bevölkerung richtete sich mit teils gewaltvollen Ausschreitungen gegen das Infrastrukturprojekt. Um dem entgegenzuwirken, hat die mexikanische Marine entlang der Strecke Sicherheitsposten stationiert und plant, diese auch zukünftig weiter auszubauen.
Welche Chancen birgt das mexikanische Infrastrukturprojekt für die Logistikbranche?
Obgleich die panamaischen Handelsrouten fest im globalen Verkehrsnetz etabliert sind und größere sowie schnellere Beförderungskapazitäten bieten, eröffnet der mexikanische CIIT neue Perspektiven für die Logistik. Aufgrund der bislang geringen Auslastung sind die Wartezeiten deutlich kürzer, was Transportketten planbarer und effizienter macht. Gleichzeitig verringert die Bahnverbindung die Abhängigkeit von den Infrastrukturen Panamas und schafft damit eine zusätzliche strategische Option im interozeanischen Güterverkehr.
Für wen ist die neue Route interessant?
Besonders attraktiv ist die direkte Anbindung an nordamerikanische Lieferketten. Für Unternehmen, die Wert auf kurze Wege zu US-Märkten und mexikanischen Industriezentren legen, bietet der CIIT erhebliche Vorteile.
Hinzu kommt, dass Mexiko in besonderem Maße vom Trend zum Nearshoring profitiert: Immer mehr Unternehmen verlagern ihre Produktion von Asien nach Nordamerika, um Lieferketten zu verkürzen und Risiken abzumildern. Der CIIT fungiert dabei als Brücke zwischen den mexikanischen Produktionsclustern und den US-amerikanischen Absatzmärkten und verstärkt so die Rolle Mexikos als strategischen Logistikstandorts. Besonders spannend ist das Projekt also für diejenigen Unternehmen, die bereits in Nordamerika aktiv sind oder in diese Region expandieren wollen.
Ausblick: Besondere Chancen für First Mover
Bislang ist der CIIT noch nicht in vollem Umfang konkurrenzfähig. Voraussichtlich werden der Panamakanal und die Panama Canal Railway auch in Zukunft deutlich größere Transportvolumina bieten können und von bereits fest etablierten und standardisierten Abläufen profitieren. Verlässliche Zahlen zur tatsächlichen Umlaufdauer und den Kosten des CIIT sind noch nicht vorhanden.
Dennoch eröffnet die Verbindung perspektivisch neuartige Chancen. First Mover können
- sich bevorzugte Slots sichern, bevor die Nachfrage die Kapazitäten übersteigt,
- von anfänglich günstigeren Preisen profitieren und diese aushandeln sowie
- das Image als Innovatoren strategisch nutzen.
Wer frühzeitig Intermodalrouten entwickelt und diese zum Beispiel als attraktive Komplettlösungen für US-basierte Kunden anbietet, kann sich so einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil auf dem nordamerikanischen Logistikmarkt verschaffen. Somit bietet der CIIT die Chance, Kosten- und Wettbewerbsvorteile zu sichern und Standards aktiv mitzugestalten.