Unternehmerschutz: Wenn persönliche Sicherheit zur Verantwortung für Business Continuity wird. Interview mit Manuel Grubenbecher
Mehr denn je sind Unternehmerinnen und Unternehmer mitsamt ihrer Familie nicht nur wirtschaftlich, sondern auch digital, gesellschaftlich und persönlich angreifbar. Unternehmerschutz wird deshalb zu einer zentralen Managementaufgabe, um den die Business Continuity und letztlich den Unternehmenserfolg zu sichern.
Sicherheitsexperte Manuel Grubenbecher spricht im Interview über neue Sicherheitsansätze, reale Bedrohungen und die Kunst, vorbereitet zu sein, bevor es ernst wird.

Manuel Grubenbecher ist langjähriger geopolitischer Sicherheitsberater für Unternehmen, staatliche Institutionen sowie NGOs. Sein Schwerpunkt ist das globale Risikomanagement.

Herr Grubenbecher, bei AKE | SKABE sprechen Sie davon, Sicherheit neu zu denken. Was meinen Sie damit?
Sicherheit wird oft erst dann ein Thema, wenn etwas passiert ist – also reaktiv. Wir drehen diesen Ansatz um. Für uns ist Sicherheit eine vorausschauende, strategische Grundlage unternehmerischer Handlungsfähigkeit. Es geht nicht um bloßen Schutz, sondern darum, in jeder Situation souverän bleiben zu können. Und das gilt nicht nur fürs Unternehmen und die Mitarbeiter, sondern ganz konkret auch für die Person der Unternehmerin oder des Unternehmers.
Warum genau muss sich die Unternehmerin oder der Unternehmer schützen?
Weil mit wachsender Sichtbarkeit auch die persönliche Verwundbarkeit steigt. Unternehmerinnen oder Unternehmer stehen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch als Personen im Fokus. Sie tragen Verantwortung für Wissen, Kapital, Mitarbeitende – und oft auch für ihr familiäres Umfeld. Gleichzeitig sind sie exponiert: in sozialen Medien, auf Geschäftsreisen, durch öffentliche Datenbanken oder durch gezielte Recherchen. Das schafft potenzielle Angriffsflächen – digital wie physisch.
Kommt es hier zum Kontrollverlust und damit zur Handlungsunfähigkeit der Unternehmerin oder des Unternehmers, hat das nicht nur persönliche Folgen – etwa durch Erpressung, Rufschädigung, finanzielle Schäden oder gar körperliche Gewalt. Die Auswirkungen können sich auch direkt auf das Unternehmen ausweiten: Prozesse können stillstehen, das Vertrauen von Partnern oder Investoren kann schwinden, und im schlimmsten Fall steht der gesamte Geschäftsbetrieb auf dem Spiel. Dann sind auch die Mitarbeitenden betroffen – bis hin zum Worst Case, dass das Unternehmen schließen muss und Arbeitsplätze verloren gehen.
Welche Risiken sehen Sie aktuell besonders für Unternehmer?
Die größte Gefahr liegt heute in der Kombination aus digitaler Sichtbarkeit und fehlender Vorbereitung. Unternehmer sind oft Zielscheibe für gezielte Angriffe – sei es durch Identitätsdiebstahl, Erpressung, geopolitische Spannungen oder einfach durch Daten, die sie unwissentlich selbst preisgeben. Das kann gravierende Auswirkungen haben – geschäftlich wie privat.
Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?
In einem Fall konnten wir durch eine digitale Sichtbarkeitsanalyse ein gefälschtes LinkedIn-Profil aufdecken. Es nutzte Name und Foto eines Mandanten, um Investorenkontakte anzuschreiben. Die Informationen dafür – Reisedaten, berufliche Stationen, Familiennamen – stammten aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Social Media. Die schnelle Identifikation hat Schlimmeres verhindert, indem wir unter anderem die Investoren warnen konnten. Anschließend halfen wir dem Mandanten mit entsprechenden Maßnahmen, seine digitale Sichtbarkeit künftig besser zu steuern.
Geht es bei Ihren Sicherheitskonzepten also vor allem um digitale Sicherheit?
Digitale Risiken sind ein großer Teil – aber nicht der einzige. Wir begleiten auch physische Risiken: Naturkatastrophen, politische Umbrüche oder medizinische Notfälle. Entscheidend ist nicht nur das Ereignis selbst, sondern ob ein klarer Plan zur Notfallevakuierung existiert. Ohne den kann jede Krise zur Eskalation führen.
Wie sieht solch ein Evakuierungsplan in der Praxis aus? Haben Sie ein Beispiel?
Einer unserer Kunden befand sich beispielsweise auf Geschäftsreise, als in einem südamerikanischen Land soziale Unruhen ausbrachen. Flughäfen waren geschlossen, Kommunikationskanäle blockiert. Dank vorheriger Risikoanalyse und Notfallplan konnten wir binnen Stunden eine sichere Evakuierung organisieren – sicherer Rückzugsort, Transportlogistik, Behördenkoordination inklusive. Ohne Vorbereitung hätte er keine Chance gehabt, schnell zu reagieren, und sich in Gefahr gebracht.
Übrigens: Solche Zwischenfälle passieren nicht nur im Ausland. Auch Krisen oder besondere Situationen, die die Sicherheit innerhalb Deutschlands gefährden, können zum Handeln zwingen.
Was ist Ihrer Meinung nach der größte Irrtum beim Thema Sicherheit?
Dass Sicherheit ein Produkt ist. Etwas, das man kauft und dann „hat“. In Wahrheit ist Sicherheit ein Prozess. Sie beginnt mit Analyse, erfordert regelmäßige Aktualisierung und Trainings – und lebt davon, dass Unternehmerinnen und Unternehmer im entscheidenden Moment auf Strukturen zurückgreifen können, die bereits etabliert sind.
Und wie schaffen Sie solche Strukturen für Unternehmerinnen und Unternehmer?
Wir kombinieren digitale Früherkennung, individuelle Risikoanalysen, Lagebeobachtung und Zugriff auf sichere Rückzugsorte weltweit, also eine passende Örtlichkeit und Immobilie. Das ergänzen wir um medizinische Notfallstrukturen und Verhaltenstrainings für Unternehmerinnen und Unternehmer, deren Familien und für Mitarbeitende, sofern diese nicht eh schon geschult sind.
Damit schaffen wir einen Vorsprung durch Vorbereitung und vor allem durch Klarheit in der Krise: Was ist das sichere Ziel? Wo liegen Schwachstellen? Wie sieht ein sicherer Transfer aus? Solche Fragen müssen im Vorfeld beantwortet werden – nicht mitten in der Krise.
Worum geht es AKE | SKABE letztlich beim Unternehmerschutz?
Um Handlungsfähigkeit durch Vorbereitung. Ein Unternehmer, der Verantwortung trägt, muss nicht nur sein Unternehmen und seine Mitarbeitenden schützen, sondern auch Kontinuität gewährleisten.
Das funktioniert nur, wenn seine eigene physische Sicherheit – und die seiner Familie – gewährleistet ist. Sicherheit bedeutet heute, vorbereitet zu sein: mental, strategisch, operativ. Denn echte Sicherheit beginnt nicht mit einem Alarm, sondern mit einer Entscheidung.