Syrien nach dem Machtwechsel: Neuanfang im Schatten alter Konflikte
Syrien steht nach dem Sturz des Assad-Regimes vor einem großen Wandel. Die neue Machtverteilung, fragile Friedensabkommen und wirtschaftliche Öffnungen treffen auf alte Konfliktlinien und anhaltende Unsicherheiten. Unsere Analyse zeigt, welche Chancen und Risiken sich daraus für internationale Akteure ergeben – und worauf es jetzt für interessierte Unternehmen besonders ankommt.

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Politische Neuausrichtung unter Hayat Tahrir al-Sham
Hayat Tahrir al-Sham (HTS), das Bündnis mehrerer islamistischer Gruppen im syrischen Bürgerkrieg, hat nach dem raschen Fall von Damaskus im Dezember 2024 de facto die Kontrolle über weite Teile des syrischen Territoriums übernommen.
Unter der Führung von Ahmed al-Sharaa (Kampfname Mohammad al-Jolani) hat sich die HTS von ihren rebellischen Wurzeln zu einer zentralen Regierungsbehörde und Armee entwickelt. Sie überwacht nun die neu geschaffenen Strukturen der syrischen Übergangsregierung im ganzen Land und kontrolliert alle Ministerien.
Die HTS versucht, ein weicheres und integrativeres Image zu vermitteln und sich von ihrer dschihadistischen Vergangenheit zu lösen, indem sie die Rolle des Staates in ganz Syrien übernimmt und die Rechte von Minderheiten garantiert. Diese Rechte sind zwar nun im syrischen Recht garantiert, ihre Umsetzung gestaltet sich jedoch schwierig: Vor allem auf dem Land kommt es zu zahlreichen Entführungen und Morden, insbesondere in von Alawiten dominierten Gebieten und bei den jüngsten Massakern im von Drusen dominierten Gebiet Suweida.
Friedensabkommen
Die HTS hat Friedensabkommen mit allen wichtigen Fraktionen des Landes unterzeichnet, darunter mit der von der Türkei unterstützten Miliz Syrische Nationalarmee und mit der kurdisch geführten Gruppe Syrische Demokratische Kräfte (SDF), die sich bereit erklärt hatte, den Großteil ihrer militärischen und sicherheitspolitischen Macht an die HTS abzugeben. Ob und wie schnell dies geschehen wird, ist nach den jüngsten Ereignissen in Suweida ungewiss. Der Sprecher der SDF, Abgar Daoud, lehnte am 24. Juli eine Waffenübergabe an die Übergangsregierung ab und wies Berichte über eine 30-tägige Integrationsfrist durch die Türkei und die USA zurück.
Einige Gruppen, die sich nicht der HTS unterordnen wollen, haben sich geweigert, dieser Koalition beizutreten, darunter der Militärrat von Suweida, eine von Drusen dominierte Miliz, oder Überreste des IS und andere Gruppen wie Saraya Ansar al-Sunnah, die den moderaten Ansatz der HTS gegenüber dem Islam ablehnen.
Regionale Konflikte und militärische Brennpunkte
Seit dem Sturz des Assad-Regimes hat Israel versucht, diese neue Situation und die chaotische Organisation der internen Sicherheitskräfte zu nutzen, um in der südlichen Region von Quneitra vorzustoßen und mehr Land auf den Golanhöhen zu erobern. Diese wurden 1967 von Israel besetzt und annektiert. Das Ziel Israels ist es, eine entmilitarisierte Pufferzone zwischen den beiden Ländern einzurichten und grundsätzlich in Syrien das Entstehen einer der Hisbollah vergleichbaren Terrororganisation zu verhindern. Einige syrische Zivilisten aus der Region wurden von Israel festgenommen, darunter zwei Journalisten, ein französischer Staatsbürger im Januar und ein britischer Staatsbürger im Mai. Die Lage in der Zone ist weiterhin äußerst unsicher. Es finden fortlaufend Gespräche statt, um das Risiko einer offenen Konfrontation mit Israel zu verringern, darunter auch direkt zwischen Israel und der Übergangsregierung Syriens in Aserbaidschan und aktuell in Frankreich.
Sicherheitslage in Damaskus und anderen Regionen
Die Sicherheitslage in Damaskus ist weiterhin gut. Der Zustrom von Ausländern seit dem Sturz des Regimes und die kontinuierliche Präsenz einiger NGOs während des Krieges haben dazu geführt, dass die Syrer daran gewöhnt sind, Menschen verschiedener Nationalitäten und Kulturen in ihrer Hauptstadt zu sehen.
Verkehr in Damaskus

Die schnellste Art, sich in der Stadt fortzubewegen, ist das Auto, obwohl auch einige öffentliche Busse zur Verfügung stehen; allerdings bringt das Autofahren seine eigenen Herausforderungen mit sich. Die Benzinsituation in der Hauptstadt und den wichtigsten Städten ist schlecht, es gibt nur sehr wenige Tankstellen, und Benzin wird hauptsächlich am Straßenrand in Wasserkanistern verkauft. Die Qualität des Benzins ist miserabel, was zu einem hohen Verbrauch und einer starken Luftverschmutzung führt. Staus sind während der meisten Tagesstunden sehr intensiv, die Unfallgefahr ist hoch, nicht zuletzt aufgrund wagemutiger Gefährte, und Karten-Apps sind nicht zuverlässig.
Alltag und Christen in Damaskus

Die christlichen Viertel Bab Touma und Bab Charqi werden sowohl von Zivilisten als auch von internen Sicherheitskräften in den Außenbezirken geschützt. Das Trinken von Alkohol ist in bestimmten Bars erlaubt, doch die Lizenz dieser Einrichtungen kann jederzeit widerrufen werden. Nach dem Terroranschlag auf die Saint-Elias-Kirche am 22. Juni bleibt die Lage instabil, obwohl die Präsenz der Sicherheitskräfte verstärkt wurde.
Militärische und Regierungseinrichtungen
Der israelische Luftangriff auf das Verteidigungsministerium und in der Nähe des Präsidentenpalasts am 16. Juli zielte darauf, einen Rückzug der Regierungstruppen aus den drusischen Siedlungen von Suwayda zu erzwingen. Er verdeutlicht die dringende Empfehlung, sich von militärischen oder anderen Sicherheitseinrichtungen in Syrien fernzuhalten. Auch mehrere schwere Explosionen von Munitions- und Kriegsrestdepots in den letzten Wochen, die höchstwahrscheinlich auf unsachgemäße Handhabung und Wartung zurückzuführen sind, unterstreichen diese Empfehlung.
Gefahren und Spannungen außerhalb der Hauptstadt
Nordosten
Im Rest des Landes ist die Sicherheitslage gefährlicher. Im Nordosten Syriens gibt es noch Überreste des IS, die bereit sind, zu den Waffen zu greifen, um gegen die neue Regierung zu kämpfen. Die Kurden haben sich zwar der neuen Führung angeschlossen, behalten aber ihre Autonomie in ihrem Gebiet; daher ist eine Bereisung der kurdischen Gebiete nur mit Genehmigung von deren Sicherheitsorganen möglich. Für dieses Verfahren und je nach aktueller Sicherheitslage sollten Interessierte ausreichend Zeit veranschlagen.
Neben der unklaren Zukunft Tausender internierter Kämpfer des IS und ihrer Familien in Lagern im kurdischen Gebiet bleibt die Sicherheitslage ungewiss, da die Türkei bestrebt ist, keine weiteren angrenzenden autonomen kurdischen Gebiete zu haben. Von der Türkei unterstützte Milizen leisten sich weiter punktuell Gefechte mit den kurdischen Kräften der SDF.
Gewalt in der Küstenregion & ethnische Spannungen
Die Küstenregion, in der überwiegend Alawiten leben, ist Racheangriffen von Milizen ausgesetzt. Bei Massakern im April wurden mindestens 1.000 Menschen getötet, und jede Woche kommt es zu rechtswidrigen Tötungen. Effektives Durchgreifen staatlicherseits und Strafverfolgung durch die Übergangsregierung blieben aus, was vermutlich andere Milizen zu den Angriffen auf die Drusen in Suweida ermutigt hat.
Infrastruktur, Reisen & Verkehrssicherheit
Das syrische Staatsgebiet ist sehr weitläufig, von fruchtbaren Küstengebieten bis hin zu riesigen Wüstengebieten im Osten und Süden. Straßen können sich über Hunderte von Kilometern erstrecken, wobei die Bevölkerungsdichte sehr dünn ist.
Vermeiden Sie grundsätzlich Nachtfahrten, da das Fahren nach wie vor gefährlich ist und Autos aufgrund der schlechten Benzinqualität oder unzureichender Wartung eine Panne haben können. Auch Car-Jacking (Raubüberfall zwecks Autodiebstahl) und andere Formen von Kriminalität während Nachtfahrten stellen ein Risiko dar.
Ausländer sind bislang keine erklärte Zielgruppe von Kriminalität und Terrorismus und auch kaum Opfer geworden. Die wenigen Fälle waren in der Regel Syrer mit ausländischer Staatsbürgerschaft.
Kommunikation & technische Herausforderungen
In vielen Gebieten, darunter auch Damaskus, ist der Mobilfunkempfang schlecht. Satellitentelefone sind daher die einzige zuverlässige Kommunikationsmöglichkeit, aber innerhalb von Städten benötigen Sie eine ungehinderte und ausreichend große Fläche unter freiem Himmel, was eine Position auf einem Dach, einem oberen Balkon, einer Terrasse oder anderen offenen Flächen wie Plätzen oder Parkplätzen erfordert. Bei der Einfuhr kann es zu Fragen kommen. Ein Muttersprachler sollte hier helfen können, ggf. ist eine formlose erläuternde Einfuhrerklärung auf Englisch und Arabisch mitzuführen, die auch durch einen Geschäftspartner in Syrien ausgestellt werden kann und somit zum Reisezweck passt.
Wirtschaftliche Lage & finanzielle Rahmenbedingungen
Bargeld
Die Wirtschaft in Syrien basiert ausschließlich auf Bargeld. Die lokale Währung ist das SYP, das syrische Pfund. Der Wechselkurs schwankt, liegt aber bei etwa 10.000 SYP pro Dollar. In der Hauptstadt gibt es viele Wechselstuben (in Bab Sharqi oder sogar auf dem Hijaz-Platz), sowohl auf der Straße als auch in anerkannten Geschäften. Es ist wichtig, sich zu vergewissern, dass die Banknoten echt sind. Meiden Sie den Umtausch bei Straßenhändlern. Nehmen Sie unbedingt genügend Bargeld in US-Dollar mit nach Syrien; Euros werden in der Regel zum gleichen Kurs wie US-Dollar umgetauscht.
Überweisungen
Einheimische tätigen Überweisungen über das traditionelle informelle Al-Hawala-System, doch die Gebühren sind extrem hoch. Außerdem kann die Nutzung sanktioniert und als Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder potenzielle Terrorismusfinanzierung angesehen werden. In Deutschland kann das zur strafrechtlichen Verfolgung, Sperrung von Firmenkonten etc. führen und sollte nicht erwogen werden.
Das Land ist seit 14 Jahren aus dem SWIFT-Verkehr ausgeschlossen, und obwohl die Sanktionen aufgehoben wurden und erste Transaktionen stattgefunden haben, ändert dies nichts am täglichen Leben.
Sanktionen
Das größte Hindernis für den Fortschritt der syrischen Wirtschaft sind die seit 2011/2012 gegen das Land verhängten Sanktionen. Am 13. Mai kündigte Donald Trump die Aufhebung aller Sanktionen gegen Syrien an. Die Entscheidung wurde rasch umgesetzt und ermöglicht es ausländischen Unternehmen, in Syrien tätig zu werden, mit lokalen Banken zusammenzuarbeiten und Geld nach Syrien und aus Syrien zu transferieren. Aufgrund der strengen Compliance-Vorschriften führt jedoch derzeit fast keine europäische Bank Überweisungen von oder nach Syrien durch.
Armut & Straßenhandel

Die Bevölkerung befindet sich weiterhin in einer sehr schwierigen Lage, da über 90 Prozent der Syrer unterhalb der Armutsgrenze leben. Auf den Straßen sind viele Bettler aller Altersgruppen zu sehen, und es wird auch von Kleindiebstählen berichtet, doch im Vergleich zu anderen Ländern in der Region, wie beispielsweise dem Irak, bleibt die Lage in Bezug auf Kleinkriminalität stabil und auf einem niedrigen Niveau.
Einreisewege & Visabestimmungen
Syrien grenzt an die Türkei, den Libanon, Israel, Jordanien und den Irak. Eine Einreise über die Türkei auf dem Landweg ist weiter weder für Touristen noch Geschäftsreisende möglich. Die Grenze zum Libanon wird von Touristen und Arbeitern, die nach Syrien einreisen möchten, am häufigsten genutzt, da die Fahrt von Beirut nach Damaskus nur zwei Stunden dauert.
Einreise von Beirut aus
Taxis von Beirut kosten etwa 150 US-Dollar. Privatwagen sind erlaubt, aber sie müssen auf den Namen des Fahrers registriert sein. Mit Mietwagen aus dem Libanon darf nicht innerhalb Syriens gefahren werden.
Die Einreise in den Libanon auf dem Landweg ist kostenlos. Die Rückreise aus Syrien in den Libanon kostet etwa 12 US-Dollar.
Einreise über den syrischen Flughafen
Die Einreise nach Syrien auf dem Luftweg über den Flughafen Damaskus oder Aleppo kostet je nach Nationalität zwischen 75 und 200 US-Dollar (für Europäer ist es günstiger als für US-Bürger). Neben Syrian Airlines und Cham Wings bieten Qatar, Turkish Airlines und Royal Jordan Airlines Flüge an.
Einreise von Jordanien aus
Für die Einreise mit einem Visum über Jordanien auf dem Landweg (über den Grenzübergang Nassib) ist ein jordanisches Visum sowie eine syrische Akkreditierung durch das Innen- oder Informationsministerium erforderlich. Taxis von Amman nach Damaskus kosten etwa 300 US-Dollar.
Visa
Es ist möglich, mit einem Touristenvisum für Syrien einzureisen, das an der Grenze ausgestellt wird. Wenn Sie jedoch zuvor mit einer Arbeitserlaubnis über das Informations- oder Innenministerium eingereist sind, müssen Sie ein Formular ausfüllen, auch wenn Sie nicht beabsichtigen, im Land zu arbeiten.
An der Grenze, egal, ob zu Land oder in der Luft, ist es wichtig, den Grund der Reise sowie das Hotel, in dem Sie übernachten, anzugeben.
Journalisten müssen ein Onlineformular auf der Website des Informationsministeriums ausfüllen. Die Genehmigung wird dann per E-Mail verschickt und muss an der Grenze vorgelegt werden.
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Nach der erfolgreichen Teilnahme deutscher Unternehmer an der BUILDEX-Messe in Damaskus (27.–31. Mai 2025) begleitet AKE | SKABE im August 2025 auch die Eröffnung einer Repräsentanz des Bundesverbandes Mittelständischer Wirtschaft in Damaskus – ein Meilenstein, um weiteren deutschen Unternehmen den Markteintritt oder die Rückkehr nach Syrien zu ermöglichen.